Montag, 10. Dezember 2012

Theodor Storm: Wie er es heute geschrieben hätte


Von drauß' vom Shoppen komm ich her;
Ich muss euch sagen, es graust mich sehr!
Allüberall hinter Fensterscheiben
Sieht man den Konsumwahn Blüten treiben;
Für Stille und Besinnlichkeit
Bleibt im Kaufrausch keine Zeit;
Und wie ich so strolcht' durch erleuchtete Gänge,
Da rief's mich an, durch Menschengedränge:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
"Komm' hier herein und kaufe schnell!
Sieh nur, all die schönen Gaben,
Gib' doch zu, Du willst sie haben,
Alt' und Junge soll'n verprassen
Das Geld in den Geschäften lassen;
Viel, groß und teuer muss es sein,
Die Weihnachtsbotschaft schert kein Schwein.
Schau hin, die Menschen wollen kaufen,
In Abfall soll die Welt ersaufen;
So war es stets, ein Jeder tut es.
Mit Eurem Geld tut Ihr uns Gutes.
Doch sag, was soll das Säcklein hier?"
Ich sprach: "Das trage ich mit mir.
Denn Äpfel, Nüsse, Mandelkern
Mögen brave Kinder gern."
"Ich hör nicht recht, was soll der Mist?
Bist Du am Ende Kommunist?
Die Kinder wollen and're Sachen,
Die sie zu Konsumenten machen.
Alter: Nüsse? Du bist komisch.
Schick muß es sein und elektronisch!"
Von drauß' vom Shoppen komm ich her;
Ich muss euch sagen, ich mag nicht mehr!
Nun sprecht, mir klingelt's in den Ohren:
Die Weihnacht ist für uns verloren.

© M.G.


2 Kommentare:

  1. That makes me smile :-)

    Ich hab mich auch mal an was ähnliches versucht...finde es aber gerade nicht.

    Aber toll! Ich sehe es genau so. Konsum ist u.a. der Tod von Ursprünglichkeit.

    Grüße

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  2. Klasse geschrieben! Und "treffer versenkt" würde ich behaupten...

    Gruß, lici

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